Wie alles begann – Kapitel 1


Eine gute Blicktechnik rettet vor allem beim Töfffahren Leben. „Du fährst dorthin, wo du hinschaust“, ermahnte mich meine Lehrerin. Wie wahr. Diese Weisheit hat aber auch im täglichen Leben ihre Gültigkeit. Und was das mit dem Prättigau zu tun hat, davon handelt diese Geschichte.

In meinen beiden (einzigen) Semestern Wirtschaftsgeographie an der Universität Basel kam ich zum ersten Mal in Kontakt mit dem Prättigau. Der damalige Assistent für Wirtschaftsgeographie an der Universtität Basel, Hans-Luzi Kessler, war nämlich Prättigauer. Ich hatte meine liebe Mühe, ihn zu verstehen mit seinem speziellen Dialekt. Aber der Unterricht fand – so glaube ich mich zu erinnern – in Schriftsprache statt. Oder ich hatte mich schnell daran gewöhnt. Wie auch immer: Während eines Seminars stellte er die Frage in den Raum, in welcher Gegend der Schweiz wir unsere zweite Lebenshälfte verbringen wollten. Aus einem Bauchgefühl heraus entschied ich mich für den Kanton Graubünden. Damit gehörte ich zur Mehrheit im Hörsaal. Das Bündnerland war mir einfach am vertrautesten: Als Schülerin verbrachte ich mehrere (grauenhafte) Skilager in Bergün, Valbella oder Obersaxen. In den Winter- und Sommerferien war ich mit meinen Eltern im Engadin. Irgendwie fühlte ich mich wohl in den Bündner Bergen. Weniger wegen dem Skifahren oder Wandern, beides konnte ich nicht sehr gut und es machte mir auch nicht sonderlich Spass. Vielmehr wegen den üppigen Kuchen und Torten, die man im örtlichen Tea Room schlemmen konnte oder dem feinen Salsiz, der uns auf Wanderungen oder beim Langlaufen Energie spendete. Bei mir geht die Liebe eben vor allem durch den Magen.

Aber nicht nur. Mir gefiel auch die direkte Art von manchen Bündnerinnen und Bündnern, die so herb und karg ist, wie die Passlandschaften des Flüela oder Julier. Zwar ist der Humor manchmal so trocken, dass ich heute noch nicht unbedingt merke, wenn mich jemand auf die Schippe nimmt. So zum Beispiel auch im Jahr 1995, als ich meine heutige Lebenspartnerin kennenlernte. Sie war in Küblis aufgewachsen und Ende der 1980-er Jahren in die Region Basel gezogen, wo sie als Primarlehrerin wirkte. Sprachlich war sie schon von Berufes wegen recht assimiliert, das half  schon einmal bei der Verständigung. Aber ihren ersten faulen Spruch, den sie mir gegenüber machte, vergesse ich nie, denn ich fasste ihn glatt als Abfuhr auf. 

Langsporniges Stiefmütterchen